Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 67/06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 2 Sa 67/06

Verkündet am: 19.07.2006

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Zweite Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 02.03.2006 - Az. 1 Ca 1092/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger aus einer Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit eine Abfindung zusteht.

Der am 05.11.1945 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 13.12.1972 bei der Beklagten als Lagerkraft beschäftigt. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50%. Am 16.10.2001 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis ab dem 01.01.2002.

Dieser Vertrag enthält unter anderem folgende Regelung:

"... wird aufgrund des Altersteilzeitgesetzes vom 23.07.1996 in der Fassung vom 01.07.2000 und des Tarifvertrages über Altersteilzeit in der Stahlindustrie vom 20.06.2000 und der Betriebsvereinbarung vom 01.10.2000 folgende Arbeitsteilzeitvereinbarung geschlossen:"

Der Vertrag sieht weiter vor, dass das bisherige Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01.01.2002 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird. Im ersten Abschnitt des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 01.01.2000 bis 31.12.2003 sollten die bisherigen betrieblichen Arbeitszeitvereinbarungen weitergelten. Anschließend wurde der Kläger bis zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt. In § 9 des Vertrages wird festgelegt, dass die Altersteilzeit und damit das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31.12.2005 enden.

Der Kläger ist am 04.11.2005 60 Jahre alt geworden und konnte wegen einer Vertrauensschutz gewährenden Übergangsregelung ab 01.01.2006 eine ungeminderte Rente unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung beziehen.

In einem Beratungsgespräch vor Abschluss des Vertrages wurde dem Kläger seitens der Beklagten erklärt, welche Auswirkungen es für ihn haben würde, die gesetzliche Rente ab 01.12.2005 oder erst ab dem 01.01.2006 zu beziehen. Die Beklagte errechnete für den Kläger unter Berücksichtigung des für ihn geltenden Vertrauensschutzes als Schwerbehinderter eine monatliche Rentendifferenz von 76,00 €. Der Kläger entschied sich daraufhin für ein Ausscheiden zum 31.12.2005.

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat unter dem Datum des 01.12.2002 eine Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit Nr. I/18 bestehend aus einem Regelungsteil und einer Zusatzvereinbarung abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 16 ff. der Akte verwiesen. Diese Betriebsvereinbarung enthält unter anderem folgende Regelungen:

" 1 Regelungsteil

1.1 Geltungsbereich

1. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten der S. B. GmbH, ... Beschäftigte im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind die Belegschaftsmitglieder, auf die die Bestimmungen des BetrVG Anwendung finden.

2. Einzelvertraglich kann nicht zu Ungunsten des Belegschaftsmitgliedes von den Mindestinhalt dieser Betriebsvereinbarung ... abgewichen werden.

1.2 Allgemeine Bestimmungen zur Altersteilzeit

1. Die Betriebsparteien vereinbaren die Durchführung einer tariflichen Altersteilzeit gemäß des Tarifvertrages vom 20.06.2000 ..., dem Altersteilzeitgesetz und den nachfolgenden Bestimmungen.

2. Es besteht ein Anspruch auf Altersteilzeit. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn und solange sich 4% der Belegschaftsmitglieder, die gemäß Ziffer 1.1 anspruchsberechtigt sind, in Altersteilzeit befinden beziehungsweise einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben...

...

5. Die Durchführung der Altersteilzeit wird individuell mit den Belegschaftsmitgliedern in Ergänzung des bisher bestehenden Arbeitsvertrages vereinbart.

6. Der Arbeitgeber berät das Belegschaftsmitglied individuell vor einer Vereinbarung der Altersteilzeit über die sozialrechtlichen Auswirkungen ... .

7. Die Vereinbarung zur Altersteilzeit ist spätestens einen Monat vor Beginn der Altersteilzeit zu treffen, ...

...

9. Durch die Altersteilzeit frei werdende Arbeitsplätze werden vorrangig durch übernommene Auszubildende wiederbesetzt. ... "

In den folgenden Ziffern werden unter anderem die Arbeitszeit und das Entgelt und die Zahlung von Abfindungen unter bestimmten Voraussetzungen geregelt. Die getroffenen Regelungen entsprechen denen der Betriebsvereinbarung I/16. Weiter heißt es in der Betriebsvereinbarung:

"2 Zusatzvereinbarung

Präambel

Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass die Altersteilzeit ein wesentliches Instrument zum Personalabbau sein wird, mit dem der Beschluss des Aufsichtsrats vom 19.09.2002 umgesetzt werden kann. Damit der Personalabbau zügig und möglichst sozialverträglich vollzogen werden kann, sollen die Belegschaftsmitglieder in der Regel ihre Altersteilzeit mit 60 Jahren beenden und in Rente gehen. Zum Ausgleich von damit verbundenen Rentenverlusten erhalten sie Abfindungen. ...

2.1 Geltungsbereich

Die Zusatzvereinbarung gilt grundsätzlich für alle Belegschaftsmitglieder, die die Voraussetzungen gemäß Ziff. 1.1 erfüllen und bis zum 31.12.2008 das 60. Lebensjahr vollenden.

Ausgenommen sind Mitarbeiter der Jahrgänge 1944 und älter, die bis zum 31.12.2004 einen Anspruch auf ungeminderte Rente haben.

2.2 Abfindung

Von den unter Ziff. 1.5 geltenden Abfindungsregelungen wird für den unter Ziff. 2.1 genannten Personenkreis wie folgt abgewichen:

1. Belegschaftsmitglieder, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird und die zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf eine vorgezogene ungeminderte gesetzliche Rente haben, erhalten eine Abfindung in Höhe von Euro 22.500,00.

2. Belegschaftsmitglieder, die aufgrund ihres Alters erst einen frühestmöglichen Rentenbeginn nach Vollendung des 60. Lebensjahres haben (Belegschaftsmitglied ist zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits über 58 Jahre), erhalten eine anteilig gekürzte Abfindung lt. Anlage 2.

...

4. Mitarbeiter der Jahrgänge 1945 bis 1948, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine ungeminderte Rente beziehen können, erhalten eine Abfindung in Höhe von 300 EUR pro vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zum Ausscheiden.

...

5 Geltungsdauer und Schlussbestimmungen

1. Die Betriebsvereinbarung I/16 wird Mitwirkung zum 01.09.2002 abgelöst. Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.09.2002 in Kraft. ..."

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist als Altersteilzeitarbeitsverhältnis durchgeführt und mit dem 31.12.2005 beendet worden. Der Kläger hat mit Schreiben vom 17.12.2003 gegenüber der Beklagten einen Abfindungsanspruch aus der Zusatzvereinbarung zur Betriebsvereinbarung I/18 geltend gemacht. Die Beklagte hat dies mit Schreiben vom 12.01.2004 zurückgewiesen. Mit seiner am 18.02.2004 beim Arbeitsgericht Bremen eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für 33 Jahre der Betriebszugehörigkeit einen Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 9.900 EUR. Die Betriebsvereinbarung vom 01.10.2000 sei durch die Betriebsvereinbarung Nummer I/18 abgelöst worden. Dementsprechend sei die arbeitsvertragliche Regelung so zu lesen, als ob dort stünde, "auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 01.10.2000 in der Fassung der Betriebsvereinbarung vom 01.12.2002". Die alte Betriebsvereinbarung existiere auch nicht mehr. Gemäß Ziffer 1. 1 Nummer 2 der Betriebsvereinbarung Nummer I/18 dürfe einzelvertraglich nicht zu Ungunsten der Belegschaftsmitglieder von dem Mindestinhalt dieser Betriebsvereinbarung abgewichen werden. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Betriebsvereinbarung Nummer I/18 im Zusammenhang mit einer Sozialplanregelung stünde, da deren Geltungsbereich nicht auf eine Sozialplanregelung hinweise. Im Übrigen unterscheide die Abfindungsregelung nicht zwischen solchen Arbeitsverhältnissen, die bei Inkrafttreten der ablösenden Betriebsvereinbarung bereits in Altersteilzeit befindlich waren und solchen Arbeitsverhältnissen, die erst noch in Altersteilzeitarbeitsverhältnisse überführt würden. Eine Stichtagsregelung sei nicht zu erkennen.

Der Kläger habe das 60. Lebensjahr vor dem 31.12.2008 vollendet und sei von der Herausnahme der Jahrgänge 1944 und älter nicht betroffen. Er habe sich für die Alternative des Bezugs einer ungeminderten Rente ab dem 01.01.2006 entschieden. Wenn er sich für den Bezug einer geminderten gesetzlichen Rente entschieden hätte, mithin für eine Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses schon zum 30.11.2005, stünde ihm sogar ein Abfindungsanspruch nach Ziffer 2. 2 Unterziffer 1) zu. Der Kläger werde ungleich mit denjenigen Arbeitnehmern behandelt, die erst nach Inkrafttreten der ablösenden Betriebsvereinbarung Nummer I/18 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis antreten würden, da diese in Kenntnis der Abfindungsregelung ihre Entscheidung über Ausscheiden mit gemindertem oder ungemindertem Rentenanspruch treffen könnten. Sein Abfindungsanspruch ergebe sich aus Ziffer 2.2 Unterziffer 4).

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von Euro 9.900 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Bundesbankdiskontsatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Altersteilzeitvereinbarung auf Wunsch des Klägers abgeschlossen worden sei. Unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung werde der Kläger ab dem 01.01.2006 eine ungeminderte Rente beziehen. Dies sei für den Kläger von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Dem Kläger sei am 06.03.2001 konkret erläutert worden, was es für ihn bedeuten würde, die gesetzliche Rente ab dem 01.12.2005 oder 01.01.2006 zu beziehen. Dem Kläger sei auch deutlich gemacht worden, dass ein Ausscheiden zum 31.12.2005 bedeute, dass er keine Abfindung erhalten werde.

Die Betriebsvereinbarung Nummer I/18 sei in der Zusatzvereinbarung als Instrument zum sozialverträglichen Personalabbau abgeschlossen worden. Gemäß Ziffer 2.2 Nr. 4 des Sozialplanes vom 01.12.2002 sei Mitarbeitern ein Ausscheiden über Altersteilzeit gemäß dieser Zusatzvereinbarung angeboten worden, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Der Kläger erfülle im Übrigen auch nicht die Voraussetzungen der Zusatzvereinbarung. Diese setzte den frühestmöglichen Rentenbeginn voraus. Bei dem Kläger sei dieser der 01.12.2005 gewesen, er sei jedoch erst zum 31.12.2005 ausgeschieden.

Die Verhandlungsgruppe Interessenausgleich bei der Beklagten habe sich mit Datum vom 12.11.2003 mit einer ähnlichen Anfrage wie der des Klägers beschäftigt. In dem damaligen Fall hätten die Betriebsparteien festgestellt, dass ein Anspruch auf Abfindung gemäß Zusatzvereinbarung nur bestehe, wenn die Vereinbarung zur Altersteilzeit auf Grundlage der Betriebsvereinbarung Nummer I/18 abgeschlossen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 02.03.2006 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 9.900 EUR festgesetzt.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis die Betriebsvereinbarung Nummer I/18 Anwendung finde, da der Kläger die Voraussetzungen der Zusatzvereinbarung zu dieser Betriebsvereinbarung nicht erfülle. Weitere Anspruchsgrundlagen seien nicht erkennbar; ebenso wenig eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Blatt 92 f. der Akte) verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde dem Kläger am 10.03.2006 zugestellt. Dessen Berufung ging am 05.04.2006, die Berufungsbegründung am 08.05.2006 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.

Der Kläger wendet sich gegen die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung seines Sachvortrages mit Rechtsausführungen. Er vertritt insbesondere die Auffassung, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung sei unzutreffend. Überdies verstoße eine entsprechende Auslegung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da nicht erkennbar sei, inwieweit es gerechtfertigt sei, den Kläger wegen einer geringfügigen zeitlichen Differenz zwischen Erreichung des 60. Lebensjahres und dem Eintritt der ungeminderten Rente vom Bezug einer Abfindung auszuschließen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 02.03.2006 zum Aktenzeichen 1 Ca 1092/04 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von Euro 9.900.-- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers war im Hinblick auf den in erster Instanz festgesetzten Streitwert, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers wird von den Regelungen der Betriebsvereinbarung I/18 nicht erfasst. Der Kläger kann sich deshalb nicht auf die Regelungen der in ihr enthaltenen Zusatzvereinbarung berufen. Damit scheidet auch eine Prüfung, ob die Regelungen der Zusatzvereinbarung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, aus.

1. Die Betriebsvereinbarung I/18 löst zwar die Betriebsvereinbarung I/16 ab, erfasst aber die bereits nach dieser abgeschlossenen Altersteilzeitverträge nicht. Dies ergibt die Auslegung der Betriebsvereinbarung I/18 durch die Berufungskammer.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Betriebsvereinbarungen wie Tarifverträge und diese wiederum wie Gesetze auszulegen. Danach ist maßgeblich auf den im Wortlaut der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gekommenen Willen der Parteien abzustellen und auf den erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Hierbei ist der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Verbleiben im Einzelfall noch Zweifel, so kann auch auf die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung zurückgegriffen werden (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.8.1994, 1 AZR 765/93)

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Berufungskammer nur feststellen, dass die Betriebsvereinbarung I/18 den Neuabschluss von Altersteilzeitverträgen regeln will. Eingriffe in bereits abgeschlossene Altersteilzeitverträge sind nicht erkennbar beabsichtigt. Die Betriebsvereinbarung regelt zwar in Ziffer 1.1 den persönlichen Geltungsbereich in der Weise, dass sie anordnet, alle Beschäftigten, die dem BetrVG unterlägen, würden von ihr erfasst. Zu diesem Personenkreis gehört natürlich auch der Kläger. Den Formulierungen der Betriebsvereinbarung I/18 ist jedoch durchgehend zu entnehmen, dass ausschließlich der Neuabschluss von Altersteilzeitverträgen gemeint ist. So spricht Ziffer 1.2 vom Anspruch auf Altersteilzeit. Dies kann den Kläger nicht meinen, da sein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages bereits erfüllt ist. Dementsprechend kann der Kläger auch von der 4%-Grenze nicht mehr tangiert werden. Ziffer 1.2.5 spricht davon, dass die Durchführung der Altersteilzeit individuell vereinbart wird. Auch dieses kann den Kläger nicht betreffen. Er hat bereits eine Vereinbarung geschlossen. Die vorgesehene Beratung vor Abschluss der Vereinbarung und die Frist zwischen Vereinbarung und Beginn der Altersteilzeit machen ebenso deutlich, dass der Regelungsgegenstand der Vereinbarung der zukünftige Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ist.

Die Festlegung in Ziffer 5, wonach die Betriebsvereinbarung I/18 die Betriebsvereinbarung I/16 ablöst, hat vor diesem Hintergrund nur die Bedeutung, dass ab Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung I/18 ausschließlich deren Bestimmungen für Neuabschlüsse gelten und für diese die zusätzlichen Regelungen in Ziffer 2 mit den erweiterten Abfindungsbestimmungen.

Allerdings mag die Zusatzvereinbarung nach Auffassung der Berufungskammer in Ziffer 2.1 - Geltungsbereich unglücklich formuliert sein. Die Regelung erweckt den Eindruck, sie gelte unabhängig von Ziffer 1 - Regelungsteil. Damit kann beim Leser auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, die Abfindungsregelungen der Zusatzvereinbarung gelten auch für Altverträge oder zumindest der, Beschäftigte mit vor dem Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung I/18 abgeschlossenen Altersteilzeitverträgen könnten eine Änderung ihrer Verträge verlangen, um in den Genuss der zusätzlichen Abfindungen zu kommen.

Dieser Eindruck bleibt aber bei der gebotenen Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Vereinbarung nicht bestehen.

Die Zusatzvereinbarung ist eingebettet in eine Gesamtregelung, die, wie oben ausgeführt, die Neuabschlüsse von Altersteilzeitverträgen regeln will. In der Präambel der Zusatzvereinbarung wird ausdrücklich ausgeführt, dass mit ihr das Ziel des zügigen und sozialverträglichen Personalabbaus unter anderem mit dem Instrument der Altersteilzeit verfolgt wird. Die Präambel macht weiterhin deutlich, dass die Zusatzvereinbarung durch Ausgleich von entstehenden Rentenverlusten erreichen will, dass Belegschaftsmitglieder in der Regel ihre Altersteilzeit mit 60 Jahren beenden. Die Zusatzvereinbarung verfolgt somit erkennbar gegenüber der Betriebsvereinbarung I/16 mit Schaffung zusätzlicher Anreize weitergehende Ziele, als die der Umsetzung der gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen zur Altersteilzeit. Nach Auffassung der Berufungskammer kann insofern kein Zweifel daran bestehen, dass die Abfindungssonderregelungen der Zusatzvereinbarung dazu dienen, Belegschaftsmitglieder zu motivieren, so früh wie möglich aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Diese Zielrichtung kann gegenüber dem Kläger nicht mehr verfolgt werden, da er sich bereits auf Basis der abgelösten Betriebsvereinbarung entschlossen hat, kurz nach seinem 60. Geburtstag das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Da an keiner Stelle der Betriebsvereinbarung I/18 direkt oder indirekt in bereits abgeschlossene Altersteilzeitverträge und die in ihnen vereinbarten Bedingungen eingegriffen wird, kann ihr nicht entnommen werden, dass sie Zusatzleistungen für Alt-Altersteilzeitarbeitsverträge begründen will. Sie begründet auch keinen Anspruch der in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiter auf Anpassung ihrer Verträge, um in den Genuss des zusätzlichen Abfindung der Zusatzvereinbarung zu kommen.

2. Mit der Neuregelung der Abfindungen durch die Zusatzvereinbarung in der Betriebsvereinbarung I/18 nur für neu abgeschlossene Altersteilzeitverträge verstößt die Beklagte nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zwar ist festzustellen, dass die Abfindungsregelung der Zusatzvereinbarung die atypische rententechnische Fallkonstellation des Klägers nicht erfasst, maßgeblich aber für die Prüfung eventueller Ansprüche wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sind nach den Ausführungen in 1. ausschließlich die Regelungen der Betriebsvereinbarung I/16. Dass danach andere Mitarbeiter ungerechtfertigt besser gestellt worden sind als der Kläger, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Vor dem Hintergrund des aktuell beschlossenen Personalabbaus ist die Schaffung zusätzlicher Anreize für Beschäftigte der Beklagten, die Möglichkeiten der Altersteilzeit zu nutzen, ein legitimer Grund, nur neu abgeschlossene Altersteilzeitverträge mit zusätzlichen Leistungen zu bedenken. Insofern bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Abfindungsregelung der Zusatzvereinbarung dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht.

Da die Betriebsvereinbarung I/18 nicht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar ist, verstößt die Abwicklung des Altersteilzeitverhältnisses durch die Beklagte nach den Bestimmungen des Alterteilzeitvertrages auch nicht gegen das Verbot von der Betriebsvereinbarung zum Nachteil abweichender Regelungen.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Berufungskammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück